Naturpflege
Baumkletterer sichern den Kinder-Wald in Langenberg
22.03.2015 | 19:00 Uhr
Baumkletterer sichern den Kinder-Wald in Langenberg
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Langenberg / Velbert. 20 erfahrene Baumpfleger sorgen dafür, dass in Schuberths Erlebnis-Wald Kindern nichts passiert. 20 Meter hoch entfernen sie mit Kettensägen Totholz.
Eigentlich kostet ein Baumpfleger pro Tag um die 400 Euro. Und um mehrere Hektar Kinder-Wald wie jenen des Natur- und Erlebnispädagogen Robert Schuberth – der wild sein soll, aber sicher sein
muss – verkehrssicher zu machen, benötigt man viele Baumpfleger.
Zum Glück hängen am vergangenen Samstag die 20 Baumpfleger ehrenamtlich in den Bäumen von Schuberths Erlebnis-Wald. 20 Meter und höher entfernen sie mit Kettensägen Totholz oder holen vom Boden
aus mit Wurfleinen kleinere tote Äste herunter.
Dreimal jede Woche geht Schuberth mit Gruppen aus einem Kinderheim in Essen-Überruhr hierher, sommers wie winters. Die Kinder kommen hier an, rennen voller Power in den Wald hinein. Aber wenn sie
herauskommen, sagt er, sind sie entschleunigt: „Ob groß oder klein, irgendwann stehen sie alle im Bach und bauen einen Staudamm.“
Dabei gehe es erstaunlich hilfsbereit und respektvoll zu, die Kinder entwickeln eine Beziehung zum Wald und zu ihren Werken. „Sie arbeiten unheimlich weiter an Dingen, die sie angefangen haben,
und Zerstörung gibt es nahezu keine“, beschreibt Schuberth die Wirkung seiner Naturpädagogik.
Die entschleunigende Wirkung setzt eigentlich schon mit der Anreise ein: Langenberger Straße, Bökenbuschstraße, Richrather Weg, Auto abstellen, zu Fuß in die Senke. Nach einer gefühlten Stunde im
Wald stellt sich beim Blick auf die Uhr heraus, dass schon zwei Stunden vergangen sind.
Natur-ro-erleben
Tagesaktionen im Wäldchen
Statistisch wird in NRW jeden Tag eine Naturfläche von circa 316 mal 316 Metern versiegelt. Robert Schuberth hat vor Jahren ein Stück Ruhrwiese von Gelsenwasser für einen Klettergarten kaufen
wollen. Weil es das nicht gab, bot man ihm das Waldstück am Richrather Weg an.
Der gemeinnützige Verein „natur-ro-erleben“, den Schuberth gegründet hat, bietet Tages-Aktionen von drei bis fünf Stunden in seinem Wäldchen. Infos unter www.natur-ro-erleben.de.
Der Wald selbst: Hallenwald, Trampelpfad, Planke über Bach, Versammlungsplatz, gefundene Bergkristalle und Wildschweinschädel, Dendrophon (Schlagwerk aus Ästen), eine Austernpilz-Zucht. Manches
ist etwas angewittert oder verfallen. Das gehört dazu: „Immer wieder wird was gebaut, zerfällt dann aber auch wieder und wird dann eben irgendwann wieder neu gebaut; wie überall in der
Natur.“
An diesem Wochenende aber sind die Baumpfleger unterwegs. „Wenn die Kinder hier spielen, muss der Baum sicher sein“, erklärt Annette Michel, eine von ihnen. Zusammen mit Thoren Benk, der in
Mülheim eine Baumkletterschule und einen Baumpfleger-Fachhandel betreibt, hat sie knapp zwei dutzend Kollegen mobilisiert.
Sie haben es sich nett gemacht: Pavillon, Kaffee, Buffet, Feuerchen und Bogenschieß-Scheiben vor dem Wald. Es sieht eher nach Szenetreff als nach Berufsausübung aus. „Baumpfleger sind ein sehr
naturverbundenes und geselliges Völkchen“, sagt Annette Michel.
Es ist die zweite Aktion dieser Art in Schuberths Wald. 2012 war Michel schon mal mit einer Gruppe dort und hat das Gröbste erledigt. Damals haben einige sogar dort gezeltet. Daraus wurde diesmal
nichts: Baumpfleger sind zwar per Beruf draußen zu Hause. Aber dieses Wetter war selbst ihnen zu ungemütlich.
Zweikampf: Pilz gegen Baum
Vergangenen Samstag musste ein Baum in Schuberths Wald gefällt werden. Er war zu stark von Pilzen befallen, um noch sicher zu sein. Einen anderen prüft Baumpflegerin Annette Michel auf
Gesamteindruck, Vitalität, Zweigwachstum, den Totholz-Anteil in der Krone, markante Astabbrüche und Bohrlöcher von Insekten. „Sichtbare Schadsymptome kommen in 90 Prozent der Fälle aus dem
Wurzelfußbereich“, erklärt sie, „Da läuft ein Wettkampf: Pilz gegen Baum. Dieser hier wäre für mich aber keine Fällung, hier müsste nur das Totholz raus.“
Michel liebt ihren Beruf, sagt sie: „Wir alle lieben Bäume. Aber um ehrlich zu sein, das Fällen macht auch Spaß.“
Der Beruf ist anspruchsvoll: Das botanische Verständnis von Bäumen erlangt man über ein Studium der Arboristik. Außerdem muss man aber mindestens zwei Kletterkurse absolvieren, wie sie in Thoren
Benks Mülheimer Baumkletterschule angeboten werden, und einen Kettensägen-Kurs machen.
„Es wäre schön, wenn es einen standardisierten Ausbildungsberuf ‚Baumpfleger‘ gäbe“, sagt Michel. Doch diesen Beruf neben den existierenden Feldern Baumschule, Blumen/Zierpflanzen, Stauden,
Friedhof und Garten-/Landschaftsbau zu etablieren, erweist sich für sie als ein Bohren dicker Bretter.
Fabian May
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